App-basierte Reflexion von Überzeugungen zum Umgang mit nachhaltigkeitsbezogenen moralischen Ansprüchen
DOI:
https://doi.org/10.25321/prise.2022.1361Abstract
Hintergrund: Angesichts der ungelösten globalen Herausforderungen ist Hoffnung auf einen Beitrag der Schule zur geforderten Transformation in Richtung Nachhaltigkeit nach wie vor gross. Aus der Bildungsperspektive wird vor einer Instrumentalisierung der Schüler*innen zur Erreichung von politischen Zielen gewarnt, andererseits wird deut-lich, dass Unterricht, der rein auf das kognitive Verstehen nachhaltigkeitsbezogener Problemstellungen und der Idee der Nachhaltigkeit zielt, nicht zwingend zu einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Handlungsspielraum zur Mit-gestaltung einer Nachhaltigen Entwicklung führt, sondern auf der theoretischen Ebene verbleibt bzw. die aus nach-haltigkeitsbezogenen Problemstellungen hervorgehenden moralischen Ansprüche auf Ablehnung stossen (Holfelder, 2018). Verschiedene Befunde im Diskurs zu Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) weisen darauf hin, dass für nicht-instrumentelles transformatives Lernen die Überzeugungen der Lehrpersonen von entscheidender Bedeutung sind (Maack, 2018).
Ziel: In diesem Beitrag werden die Erfahrungen, die durch den Einsatz und die Evaluation eines ersten Prototypen der BNE-App in der Lehrer*innenbildung gewonnen wurden, mit Blick auf das Potenzial dieser App für das Thema-tisieren solcher Überzeugungen von angehenden Lehrpersonen diskutiert.
Sample: Der Beitrag fusst auf Erfahrungen der Dozierenden zum Einsatz der App in drei Lehrveranstaltungen der Lehrer*innenbildung, auf Gruppendiskussionen, die mit den Studierenden dieser Lehrveranstaltungen geführt wurden sowie auf den Evaluationsbefunden zur BNE-App.
Design und Methode: Den Ausgangspunkt bilden theoretische Überlegungen zur Problematik eines einseitig individualistischen Denkens über nachhaltigkeitsbezogenes Handeln. Im Anschluss werden die App und deren Nutzung in den Lehrveranstaltungen beschrieben sowie über ausgewählte Beobachtungen berichtet. Vor diesem Hintergrund wird schliesslich das Potenzial der App für die Thematisierung von Überzeugungen hinsichtlich des Umgangs mit nachhal-tigkeitsbezogenen moralischen Ansprüchen diskutiert wird.
Ergebnisse: Die Erfahrungen und die Daten zur Nutzung der App in der Lehrer*innenbildung weisen darauf hin, dass die App durch die tägliche Reflexion eines exemplarischen nachhaltigkeitsbezogenen Handelns (in Form eines konkret erfahrenen sogenannten Self-Commitments) die Studierenden anregt, sich der eigenen Umgangsweise mit der Diskrepanz von moralischem Anspruch und (eigener) Handlungspraxis bewusst zu werden und sich reflexiv damit auseinanderzusetzen. Die Daten lassen in Übereinstimmung mit anderen Befunden eine Dominanz des individualistischen Denkmusters bei Studierenden vermuten, was den Blick darauf lenkt, den durch die App thematisierten Erfahrungs- und Möglichkeitsraum der Studierenden um strukturelle Möglichkeiten zu erweitern.
Schlussfolgerungen: Mit der Nutzung der App lässt sich eine reale Basis für die Reflexion und Thematisierung der Überzeugungen zum Umgang mit nachhaltigkeitsbezogenen moralischen Ansprüchen schaffen. Durch entsprechende Reflexionsfragen und Lernsettings können angehende Lehrpersonen ihren Erfahrungs- und Möglichkeitsraum für den Umgang mit der Diskrepanz zwischen moralischem Anspruch und eigener Handlungspraxis erweitern und darin die eigene Position reflektierter bestimmen. Dies wiederum ist dem Potenzial nach ein Fundament dafür, im Unterricht unterschiedliche Umgangsweisen zum Gegenstand einer kritisch-konstruktiven Auseinandersetzung zu machen und so auch Schüler*innen zu ermöglichen, ihren Erfahrungs- und Möglichkeitsraum zu erweitern.
Keywords: Bildung für Nachhaltige Entwicklung, handlungsleitende Überzeugungen, Umgang mit moralischen Ansprüchen, Lehrer*in-nenbildung
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